Der Nachlass zählt zu den Basisbegriffen im Erbrecht. Seine gesetzliche Definition findet sich in § 1922 BGB. Danach besteht die Erbschaft aus dem Vermögen des Erblassers als Ganzes im Zeitpunkt des Erbfalls. Statt Erbschaft verwendet der Gesetzgeber dafür an anderer Stelle den Begriff Nachlass.
Im deutschen Erbrecht gilt die Gesamtrechtsnachfolge (=Universalsukzession), d.h. der Nachlass umfasst sämtliche Aktiva, also Vermögenswerte und sämtliche Passiva, also Verbindlichkeiten des Erblassers. Der Erbe bzw. die Erbengemeinschaft übernehmen somit alle Ansprüche einerseits und alle Pflichten des Erblassers andererseits. Dies führt auch zur Haftung des Erben für Schulden des Erblassers. Es ist also wichtig zu wissen, was zum Nachlass gehört und was nicht.
Inhaltsverzeichnis
1. Nachlasswert
2. Nachlassverzeichnis
3. Nachlasspfleger
4. Nachlassverwalter
5. Nachlassinsolvenz
6. Exkurs: der digitale Nachlass
7. FAQ
8. Fazit
Nachlasswert
Der Nachlasswert spielt eine Rolle, wenn es zur Erbauseinandersetzung einer Erbengemeinschaft kommt, Pflichtteilsansprüche zu berechnen sind (vgl. dazu § 2311 BGB) oder für das Finanzamt zur Festsetzung der Erbschaftssteuer. Um den Wert des Nachlasses zu bestimmen, sind die Passiva von den Aktiva zu subtrahieren. Davor steht die konkrete Wertermittlung der Nachlassgegenstände, für die gem. § 2311 Abs. 1 BGB als Stichtag der Todestag des Erblassers gilt. Bei umfangreicheren Nachlässen empfiehlt es sich für Erben, zunächst entsprechende Informationen über Banken, Steuerberater etc. des Erblassers einzuholen. Für Immobilien, Kunstobjekte, Schmuck u.ä. können Gutachter eingeschaltet werden. Die Auflistung wird im Anschluss dem zuständigen Nachlassgericht zugeleitet, das die endgültige Bewertung durchführt. Diese bildet die Grundlage zur Berechnung von Pflichtteilsansprüchen und Erbschaftssteuer.
Vermögenswerte des Erblassers
Die Aktivposten des Nachlasses umfassen Barvermögen, Vermögen auf Bankkonten bzw. Wertpapierdepots. Es gehören Grundstücke und Immobilien dazu sowie alle beweglichen Gegenstände, die sich im Eigentum des Verstorbenen befanden, also Kunstobjekte, Möbel, Schmuck usw. Auch wenn der Erblasser lediglich Miteigentümer oder Mitbesitzer zum Beispiel gemeinsam mit seinem Ehegatten war, gehören seine Anteile zum Nachlass. Als Aktivposten im Nachlass zählen zudem vererbliche Rechte und Ansprüche des Erblassers. Dies kann bei Nachlässen von Firmeninhabern eine Rolle spielen, wenn es sich um Geschäftsanteile, Patente und andere gewerbliche Schutzrechte oder Urheberrechte handelt.
Von den vererblichen Rechtspositionen zu unterscheiden sind höchstpersönliche Rechte, die nicht Bestandteil des Nachlasses werden, wie
- die Rentenansprüche des Erblassers
- Mitgliedschaften in Vereinen
- Nießbrauchrechte gem. § 1061 Abs. 1 BGB
- eventuelle Unterhaltsansprüche gem. §§ 1586 Abs. 1, 1615 Abs. 1, 1360 a Abs. 3 und 1361 Abs. 4 S. 1 BGB
- ein dingliches Wohnungsrecht gem. § 1093 BGB
Nicht zum Nachlass gerechnet werden Ansprüche, die ein Hinterbliebener (nicht Erbe) mit dem Tode des Erblassers erwirbt, zum Beispiel als Begünstigter einer Lebensversicherung. War der Erblasser für sein Vermögen oder Teile davon nur Vorerbe, wie es das BGB in § 2100 ermöglicht, fallen diese Vermögenspositionen nicht unter seinen Nachlass, sie stehen dann dem Nacherben zu.
Nachlassverbindlichkeiten
Vereinfacht gesagt gehören dazu alle Schulden des Erblassers, wie in § 1967 Abs. 2 BGB ausgeführt. § 1967 Abs. 2 BGB differenziert dazu bei den Verbindlichkeiten in Erblasser- und Erbfallschulden. Die erste Gruppe bilden Verbindlichkeiten, die der Verstorbene zu Lebzeiten eingegangen ist, also Kreditverträge, Versicherungen, Miete oder Wohngeld oder ausstehende Steuern. Zur zweiten Gruppe gehören Verpflichtungen, die die Abwicklung des Erbfalls selbst betreffen wie alle Kosten rund um die Bestattung. Hinzu kommt eine dritte Gruppe: Dabei handelt es sich um Forderungen Dritter als Folge testamentarischer Verfügungen des Erblassers, z.B. Vermächtnisse gem. §§1939 ff. BGB. Weitere Fälle von Erbfallschulden sind Ansprüche des Ehegatten auf Zugewinnausgleich, Pflichtteilsansprüche gem. §§ 2303 ff. BGB oder Ansprüche aus Schenkungsversprechen von Todes wegen gem. § 2301 Abs. 1 BGB. Nicht als Nachlassverbindlichkeit anzusehen ist hingegen eine eventuell fällige Erbschaftssteuer. Sie ist eine eigenständige Verpflichtung des Erben und nicht des Erblassers.
Nachlassverzeichnis
Um den Nachlasswert zu ermitteln ist ein Nachlassverzeichnis notwendig. Dabei handelt sich um eine Aufstellung aller Vermögenswerte und Verbindlichkeiten des Erblassers. Durch das Inventar, wie das Nachlassverzeichnis auch genannt wird, kann der Nachlasswert ermittelt werden und die finanzielle Situation der Erbschaft transparent den Erben, dem Nachlassgericht und Pflichtteilsberechtigter dargelegt werden. Das Nachlassverzeichnis kann von den Erben oder einem Notar angefertigt werden. Erben sind dazu verpflichtet Pflichtteilsberechtigten das Nachlassverzeichnis vorzulegen. Auch kann das Nachlassgericht ein solches Verzeichnis anfordern, um einen Erbschein auszustellen und die Verfahrenskosten zu berechnen. Das Verzeichnis wird auch Nachlassgläubigern vorgelegt, falls eine Haftungsbeschränkung des Erben besteht.
Inhalt des Nachlassverzeichnisses
Das Nachlassverzeichnis sollte alle für die Berechnung notwendigen Informationen beinhalten. Dazu zählen:
- Immobilien
- Bankkonten und Finanzanlagen
- Persönliche Gegenstände
- Fahrzeuge
- Schulden
- Erbfallkosten
- Schenkungen der letzten 10 Jahre
Frist zur Erstellung des Nachlassverzeichnisses
Beantragt ein Nachlassgläubiger die Errichtung eines Nachlassverzeichnisses, so beträgt die Frist zur Erstellung nach § 1995 BGB mindestens einen Monat und höchstens drei Monate betragen. Die individuelle Frist richtet sich nach den genauen Gegebenheiten und liegt im Ermessen des Nachlassgerichts. So fällt die Frist deutlich länger aus, wenn das Inventar durch einen Notar erstellt wird. Auch kann das Gericht die Frist auf Antrag des Erben verlängern. Dies kommt insbesondere bei komplexen Nachlasssituationen in Betracht. Ein Pflichtteilsberechtiger hingegen kann ein Nachlassverzeichnis direkt vom Erben fordern und ihm eine selbstgewählte Frist setzen. Meist beträgt diese 4-6 Wochen.
Nachlasspfleger
Sind die Erben unbekannt oder die Annahme die Erbschaft ungewiss, kann das Gericht einen Nachlasspfleger bestellen. Dieser kümmert sich um die Ermittlung der Erben, die Sicherung und Verwaltung des Nachlasses und die gerichtliche Vertretung. Der Nachlasspfleger wird eingesetzt, wenn der Erbe unbekannt oder dessen Aufenthalt ungewiss ist, unklar ist, ob der Erbe die Erbschaft annehmen wird oder Anlass zur Sicherung des Nachlasses besteht. Die Bestellung des Nachlasspflegers kann auf Antrag eines Nachgläubigers erfolgen. Die Vergütung des Nachlasspflegers trägt normalerweise der Erbe. Diese richtet sich nach Umfang und Komplexität der Pflegschaft. Die Aufgaben des Nachlasspflegers sind:
- Erbenermittlung
- Nachlasssicherung
- Nachlassverwaltung
- Gerichtliche Vertretung
Verletzt der Nachlasspfleger seine Pflichten fahrlässig oder sogar vorsätzlich, so haftet er für die dadurch entstandenen Schäden.
Nachlassverwalter
Bei einem Nachlassverwalter handelt es sich um eine vom Nachlassgericht bestellte Person, die den Nachlass des Erblassers ordnen und verwalten soll. Aufgabe des Nachlassverwalters ist es die Erben zu entlasten und die Gläubiger des Nachlasses zu befriedigen. Er wird eingeschaltet, wenn ein Nachlass potentiell überschuldet ist oder es Streitigkeiten in der Erbengemeinschaft gibt. Die Nachlassverwaltung kann auch von den Erben, dem Testamentsvollstrecker, einem Nachlassgläubiger oder auch einem Erbschaftskäufer beantragt werden. Der Nachlassverwalter erstellt eine Übersicht über die Verbindlichkeiten des Erblassers und tilgt die Schulden des Erblassers. Die verbleibenden Vermögenswerte teilt er dann auf die Erben auf. Die Höhe der Kosten der Nachlassverwaltung richten sich nach der Qualifikation des Nachlassverwalters, der Größe des Nachlasses und dem mit der Verwaltung verbundenen Aufwand. Diese werden im Regelfall aus dem Nachlass bezahlt.
Nachlassinsolvenz
Eine Nachlassinsolvenz wird eingeleitet, wenn der Nachlass des Verstorbenen überschuldet oder zahlungsunfähig ist. Eine Überschuldung liegt vor, wenn die Nachlassverbindlichkeiten die Vermögenswerte des Nachlasses übersteigen. Eine Zahlungsunfähigkeit hingegen kann schon auftreten, wenn fällige Nachlassverbindlichkeiten nicht direkt bezahlt werden können. Dies kann passieren, wenn zum Beispiel ein Pflichtteilsberechtigter seinen Pflichtteil geltend macht, aber der Nachlass nur aus gebundenem Kapital in Form von Immobilien besteht.
Für das Nachlassinsolvenzverfahren ist das Insolvenzgericht zuständig, in dessen Bezirk der Erblasser seinen allgemeinen Gerichtsstand hatte. Dies ergibt sich aus § 315 InsO.
Durch die Nachlassinsolvenz wird das Vermögen des Erben vom Nachlass getrennt. Dadurch wird die Haftung des Erben auf den Nachlass beschränkt. Das Nachlassinsolvenzverfahren kann sowohl von den Erben, den Nachlassgläubigern sowie dem Nachlasspfleger oder dem Testamentsvollstrecker beantragt werden. Die Kosten für das Nachlassinsolvenzverfahren werden aus dem Nachlass gezahlt.
Das Insolvenzgericht bestellt einen Nachlassverwalter. Dieser verwertet den Nachlass um eine Insolvenzmasse zu bilden. Aus dieser werden dann die Nachlassgläubiger befriedigt. Hierbei handelt es sich um einen langwierigen Prozess, dessen Dauer von der Komplexität des jeweiligen Falles abhängt.
Exkurs: der digitale Nachlass
Mit dem o.a. Begriff werden alle digitalen Spuren nach einem Erbfall bezeichnet. Dazu gehören E-Mail und Chat-Accounts, Konten bei Onlineshops, Profile in sozialen Netzwerken, Online-Konten bei Banken, Energieversorgern, Supermärkten, Zeitschriften und vielen mehr. Als Erbe muss man sich auch mit diesem digitalen Bereich der Erbschaft auseinandersetzen, und sei es nur, um diese kündigen zu können. Selbst wenn man über die Passwörter der jeweiligen Konten verfügt, kann dies kompliziert und aufwändig werden. Kennt man sie nicht, bedarf es eines Erbscheins, um sich bei den jeweiligen Anbietern als Erbe ausweisen zu können und damit den Zugriff auf die Online-Konten zu bekommen. Der Bundesgerichtshof hat dazu in zwei jüngeren Urteilen (Az. III ZR 183/17 und Az. III ZB 30/20) klargestellt, dass den Erben in gleichem Umfang der Zugang gewährt werden muss - abgesehen von der Weiternutzung - wie dem ursprünglichen Nutzer.
FAQ
Was kostet die Erstellung eines Nachlassverzeichnis?
Sollte der Erbe das Nachlassverzeichnis selbst erstellen, entstehen für ihn hierbei keine Kosten. Wird das Nachlassverzeichnis von einem Notar erstellt fallen Kosten an. Diese bestimmen sich aus Gerichts- und Notarkostengesetz (GNotKG) und richten sich nach der Höhe des Nachlasses.
Wer muss ein Nachlassverzeichnis erstellen?
In der Regel muss das Nachlassverzeichnis vom Erben oder der Erbengemeinschaft erstellt werden. Sollte der Erblasser einen Testamentsvollstrecker eingesetzt haben, muss dieser ein Nachlassverzeichnis vorlegen.
Brauche ich ein Nachlassverzeichnis um einen Erbschein zu beantragen?
Ja, Sie brauchen ein Nachlassverzeichnis um einen Erbschein zu beantragen. Dieser ist notwendig, damit das Nachlassgericht die Gebühr berechnen kann. Diese hängt vom Wert des Nachlasses ab.
Welches Nachlassgericht ist zuständig?
Zuständig ist das Nachlassgericht am letzten gewöhnlichen Aufenthaltsort des Erblassers.
Was ist der Unterschied zwischen Nachlasspfleger und Nachlassverwalter?
Durch den Nachlasspfleger wird der Nachlass gesichert und verwaltet, bis die Erben gefunden oder die Erbschaft angetreten worden ist. Der Nachlasspfleger handelt als gesetzlicher Vertreter der (noch unbekannten) Erben. Der Nachlassverwalter hingegen ist eine neutrale Person die bei überschuldeten und komplexen Nachlässen eingesetzt wird um die Abwicklung des Nachlasses zu gewährleisten.
Wie berechnet sich der Nachlasswert?
Um den Nachlasswert zu berechnen, wird der Wert aller Verbindlichkeiten vom Wert alles Vermögenswerte zum Todestag abgezogen.
Was kostet eine Nachlassinsolvenz?
Die Kosten einer Nachlassinsolvenz hängen vom Wert des Nachlasses ab. Sie setzen sich aus den Gerichtsgebühren und der Vergütung des Insolvenzverwalters zusammen. Die Gerichtsgebühren ergeben sich aus dem Gerichtskostengesetz (GKG). Die Vergütung des Insolvenzverfahrens bestimmt sich nach der Insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung (InsVV).
Wann verjähren Nachlassverbindlichkeiten?
Die Verjährungsfrist der Nachlassverbindlichkeiten richtet sich nach der Art der Forderung. Üblicherweise beträgt die Frist drei Jahre nach § 195 BGB. Bei Forderungen mit Grundstücksbezug beträgt sie zehn Jahre. Bei titulierten oder rechtskräftig festgestellten Ansprüchen beträgt die Frist 30 Jahre.
Fazit
Der Nachlass umfasst sowohl Vermögenswerte als auch Verbindlichkeiten des Schuldners. Die Zusammensetzung kann sehr komplex sein. Für Erben ist es daher wichtig, frühzeitig Klarheit über den Umfang des Nachlasses zu gewinnen. Insbesondere bei überschuldeten Nachlässen besteht ein Haftungsrisiko. Die Erstellung eines vollständigen Nachlassverzeichnisses ist hierbei ein unverzichtbares Instrument zur Ermittlung des Nachlasswertes und zur rechtssicheren Auseinandersetzung mit Pflichtteilsansprüchen, Steuerfragen und Gläubigern. In Fällen überschuldeter Nachlässe oder unklarer Erbverhältnisse sorgen Nachlasspfleger, Nachlassverwalter oder sogar ein Nachlassinsolvenzverfahren für geordnete Verhältnisse.