Der Erbschein ist eine öffentliche Urkunde, die die Erbenstellung zur Zeit des Erbfalls bestätigt.
Erben treten die Rechtsnachfolge des Verstorbenen an. In vielen Fällen ist es für den Rechtsverkehr zunächst nicht klar, wer Erbe ist. Erbscheine beseitigen Unsicherheiten über die Erbenstellung. Sie legitimieren die Erben im Rechtsverkehr und weisen mögliche erbrechtliche Beschränkungen aus. Damit dient der Erbschein allgemein der Rechtssicherheit und verschafft den Erben ein Dokument, mit dem sie sich gegenüber Dritten als Erben ausweisen können.
Inhaltsverzeichnis
1. Erbscheine und ihre Inhalte
2. Bedeutung des Erbscheins
3. Das Erbscheinverfahren
4. Wer darf einen Antrag auf Erbscheinserteilung stellen?
5. Wann ist ein Erbschein notwendig?
6. Die rechtliche Wirkung von Erbscheinen
Erbscheine und ihre Inhalte
Inhaltlich weisen Erbscheine die Erben und bei Erbengemeinschaften auch die jeweiligen Anteile am Nachlass aus. Bestimmte Beschränkungen wie etwa eine angeordnete Testamentsvollstreckung oder die Einsetzung von Vor- und Nacherben werden ebenso in Erbscheinen erfasst.
In der Übersicht finden sich folgende Inhalte und formale Bestandteile auf Erbscheinen:
- Das Geschäftszeichen zur eindeutigen Zuordnung des Erbscheins.
- Der Name des Gerichts.
- Die Art des Erbscheins, unterschieden nach Einzelerbschein oder gemeinschaftlichem Erbschein. Für gemeinschaftliche Erbscheine gilt § 352 a FamFG.
- Der Name, die Adresse und das Geburtsdatum des/der Erben.
- Gegebenenfalls Angaben zum Erbanteil.
- Gegebenenfalls ein Hinweis zur Testamentsvollstreckung oder anderen Beschränkungen.
- Die Unterschrift des Richters oder des Rechtspflegers.
Nicht in Erbscheine gehören Pflichtteile, Vermächtnisse und Auflagen.
Bedeutung des Erbscheins
Als amtliches Dokument versetzt der Erbschein Erben in die Lage, den Besitz des Verstorbenen oder Verträge des Erblassers zu übernehmen. Übernommene Verträge können dabei auch gestaltet werden, hier kann der Erbe mit dem Erbschein etwa einen Vertrag des Erblassers kündigen. Die §§ 2353-2370 BGB regeln wichtige Grundsätze zum Thema Erbschein und Erbscheinverfahren. Daneben sind auch die §§ 353 FamFG (Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit) relevant. Mit dieser Verbindung zur freiwilligen Gerichtsbarkeit wird bereits deutlich, dass Erbscheine nicht automatisch erteilt werden. Sie müssen beantragt werden.
Das Erbscheinverfahren
Erbscheine werden beim zuständigen Nachlassgericht beantragt. Das zuständige Nachlassgericht ist dabei normalerweise das Amtsgericht, in dessen Bezirk der Verstorbene zuletzt wohnte. Alle Angelegenheiten, die zum Thema Erbschein gehören, sind den Nachlasssachen im Sinne von § 342 Abs. 1 Nummer 6 FamFG zugeordnet. Befand sich der letzte Aufenthaltsort des Erblassers im Ausland, ist immer das Amtsgericht Berlin-Schöneberg für die Erteilung von Erbscheinen zuständig. Der Antrag muss beurkundet werden. Das ist beim Nachlassgericht selbst oder bei einem Notar möglich. Der Antragsteller legt in dem Antrag dar, worauf sich sein Erbrecht begründet, und versichert die Richtigkeit der Angaben an Eides statt. Einschlägig ist § 352 FamFG. Im Falle einer Erbengemeinschaft hat der einzelne Miterbe keine Vollmacht der anderen Erben vorzuweisen, muss aber versichern, dass diese Miterben das Erbe ebenfalls angenommen haben. Dies ergibt sich aus § 352 a FamFG. Das Nachlassgericht hat von Amts wegen zu ermitteln, wer Erbe ist. Treffen alle Angaben im Antrag nach Auffassung des Gerichtes zu, wird ein Erbschein erteilt.
Wer darf einen Antrag auf Erbscheinserteilung stellen?
Jeder Erbe darf die Urkunde beantragen. Dabei ist es gleich, ob jemand Miterbe, Alleinerbe, Nacherbe oder Vorerbe ist. Eines ist aber zu beachten: Spätestens mit dem Antrag auf Erteilung eines Erbscheins erklärt der Erbe die Übernahme des Erbes. Eine Ausschlagung des Erbes kommt somit nach Maßgabe des § 1943 BGB nicht mehr in Betracht. Erbscheine können auch von Testamentsvollstreckern, Nachlass- und Nachlassinsolvenzverwaltern sowie Gläubigern bei einer vorgesehenen Zwangsvollstreckung gegen den Erben beantragt werden.
Das Erbscheinverfahren ist kostenpflichtig. Die Gebühren richten sich am Nachlasswert aus.
Wann ist ein Erbschein notwendig?
Nicht in allen Fällen ist ein Erbschein notwendig. Hat der Erblasser ein öffentliches Testament oder einen notariellen Erbvertrag errichtet, wird in vielen Fällen auf einen gesonderten Erbschein verzichtet. Gesetzlich geregelt ist das beispielsweise in § 35 Abs. 1 Satz 2 Grundbuchordnung (GBO). Der Nachweis der Erbenstellung kann hier auch mit dem notariellen Testament oder Erbvertrag zusammen mit dem Eröffnungsprotokoll bei Testamenten erfolgen. Ebenso akzeptiert das Grundbuchamt in der Regel einen Überweisungsnachweis nach § 36 GBO als Nachweis für das Erbe. Nur in Ausnahmefällen verlangen Grundbuchämter in diesem Zusammenhang einen gesonderten Erbschein.
Auch Banken und Kreditinstitute verzichten bei Vorlage von notariellen Testamenten und Erbverträgen häufig auf einen Erbschein. Geregelt ist das in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des jeweiligen Institutes. Möglicherweise reicht in diesem Zusammenhang der Bank bereits eine Vollmacht aus, die über den Tod des Erblassers hinaus gilt. Eine solche Vollmacht wird auch als transmortale Vollmacht bezeichnet. Ebenso kommt eine postmortale Vollmacht in Betracht, die erst mit dem Tod des Vollmachtgebers wirksam wird. In Verträgen mit Banken und anderen Dritten kann bereits vertraglich ein Begünstigter auf den Tod benannt werden. In diesem Fall vollzieht sich der Vertragsübergang außerhalb des Erbrechts. Gern wird diese Konstellation bei Lebensversicherungen, Sparverträgen und ähnlichen Vermögensübergängen gewählt.
Die rechtliche Wirkung von Erbscheinen
Erbscheine entfalten unter anderem eine Publizitätswirkung. Nach § 2365 BGB gilt die widerlegbare Vermutung, dass durch Erbscheine ausgewiesenen Personen tatsächlich Erben sind. Diese Wirkung entfaltet sich für und gegen Erben. Der Erbe kann Ansprüche aus dem Erbe geltend machen, genauso aber für Nachlassverbindlichkeiten in Anspruch genommen werden. Erbscheine, die sich später als unrichtig erweisen, werden vom Nachlassgericht gemäß § 2361 BGB für kraftlos erklärt. Dabei erlangt der wirkliche Erbe nach § 2362 Abs. 1 BGB gegen den vermeintlichen Erben auch einen Anspruch auf Herausgabe des Erbscheins an das Nachlassgericht.
Die §§ 2366, 2367 BGB regeln den öffentlichen Glauben von Erbscheinen. Öffentlicher Glaube bedeutet in diesem Kontext, dass bereits die Existenz von Erbscheinen genügt. Gutgläubigen Dritten gegenüber müssen die Urkunden nicht wirklich vorgelegt werden. Damit gilt der Inhalt von Erbscheinen gegenüber einem gutgläubigen Erwerber, wenn ein in einem Erbschein ausgewiesener Erbe Verfügungsgeschäfte tätigt. Einem Gutgläubigen gegenüber ersetzen Erbscheine ein in Wahrheit fehlendes Erbrecht. Wer gutgläubig ist, kann bei Vorhandensein eines Erbscheins von einem vermeintlichen Erben Eigentum rechtmäßig erwerben. Keine Aussagen treffen Erbscheine zu der Frage, ob bestimmte Gegenstände oder Forderungen wirklich zum Nachlass gehören. Ein entsprechender Rechtsschein kann hier auch bei gutgläubigen Dritten nicht entstehen. Geschützt wird durch den öffentlichen Glauben der rechtsgeschäftliche Erwerb von einem Erbscheinserben. Bei Übergängen kraft Gesetzes oder durch Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gilt der öffentliche Glaube nicht. Rechtlich ausgedrückt umfasst § 2366 BGB zum Schutz des Rechtsverkehrs nur die sogenannten Verkehrsgeschäfte.