Pflichtteil

Das deutsche Erbrecht schützt besonders enge Angehörige vor vollständiger Enterbung durch den sogenannten Pflichtteilsanspruch. Dieser sichert Ehepartnern, Kindern und unter bestimmten Umständen auch Eltern einen finanziellen Mindestanteil am Nachlass. In diesem Beitrag wird erklärt, wem der Pflichtteil zusteht, wie er berechnet wird und wie er geltend gemacht werden kann.

Inhaltsverzeichnis

1. Was ist der Pflichtteilsanspruch?
2. Wem steht der Pflichtteilsanspruch zu?
3. Wie berechnet sich der Pflichtteilsanspruch?
4. Wie kann der Pflichtteilsanspruch geltend gemacht werden?
5. Wann kann der Pflichtteilsanspruch geltend gemacht werden?
6. Wann verjährt der Pflichtteilsanspruch?
7. Kann der Pflichtteil entzogen oder ausgeschlossen werden?
8. Wann muss der Pflichtteil bezahlt werden?
9. FAQ
10. Fazit

Was ist der Pflichtteilsanspruch?

Bei dem Pflichtteil handelt es sich um einen auf Geld gerichteten Anspruch, der bestimmten nahen Familienangehörige des Erblassers gegenüber den Erben zusteht. Diese sollen trotz Enterbung nicht leer ausgehen. Hierbei findet eine Beschränkung der in § 1937 BGB gewährleisteten Testierfreiheit statt. Dies wird mit Fürsorgepflichten des Erblassers, die auch nach seinem Tode bestehen bleiben, begründet.

Wem steht der Pflichtteilsanspruch zu?

Pflichtteilsberechtigt sind besonders nahe Familienangehörige, sofern sie von der Erbfolge ausgeschlossen worden sind oder im Nachlass zu gering bedacht sind. Bei diesen Familienangehörigen handelt es sich um den Ehepartner und die Abkömmlinge, also die Kinder und Enkel, des Erblassers. Adoptierte Kinder sind hierbei den leiblichen Kindern gleichgestellt. Stiefkinder hingegen haben keinen Pflichtteilsanspruch. Unter gewissen Umständen können auch die Eltern des Erblassers pflichtteilsberechtigt sein. Nicht berechtigt sind hingegen die Geschwister und Großeltern.

Wie berechnet sich der Pflichtteilsanspruch?

Nach 2303 I BGB beträgt der Pflichtteilsanspruch die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. D.h. im ersten Schritt muss die gesetzliche Erbquote berechnet werden die dem Pflichtteilsberechtigten nach gesetzlichen Bestimmungen hypothetisch zustehen würde. Entscheidend hierbei ist, ob der Erblasser verheiratet war und falls er verheiratet war, in welchem ehelichen Güterstand die Ehepartner gelebt haben. Außerdem ist die Anzahl der Kinder zu berücksichtigen. Die gesetzliche Erbquote wird dann halbiert. Anschließend wird der Nettonachlass, also Nachlasswert abzüglich der Nachlassverbindlichkeiten, mit der ermittelten Pflichtteilsquote multipliziert. Auch ist zu beachten, dass Schenkungen des Erblassers hierbei berücksichtigt werden können, wenn diese in den letzten 10 Jahren vor seinem Tode vorgenommen worden sind. Dem Pflichtteilsberechtigten steht hierbei ein sogenannter Pflichtteilsergänzungsanspruch zu. Beispiel: Unverheirateter Erblasser hinterlässt 2 Kinder. Gesetzliche Erbquote jedes Kindes liegt bei 50 %. Der Pflichtteilsanspruch beträgt somit die Hälfte der gesetzlichen Quote, also 25 %.

Wie kann der Pflichtteil geltend gemacht werden?

Der Pflichtteilsanspruch muss durch den Pflichtteilsberechtigten gegenüber dem Erben geltend gemacht werden. Der Pflichtteilsberechtigte muss sich Auskünfte über die Höhe des Nachlasses holen, die Höhe des Anspruchs berechnen und diesen dann einfordern. Dem Pflichtteilsberechtigten stehen deshalb Informationsansprüche gegen den Erben zu. Dieser muss ein vollständiges Nachlassverzeichnis erstellen und dem Pflichtteilsberechtigten zur Verfügung stellen. Der Pflichtteilsberechtigte kann auch einen Sachverständigen zur Bewertung von Nachlassgegenständen einschalten. Die Kosten hierfür trägt der Nachlass. Dadurch sinken jedoch der Nachlasswert und somit auch der Pflichtteil des Pflichtteilsberechtigten. Sobald der Pflichtteilsberechtigte die notwendigen Informationen zusammengetragen hat, kann er seinen Anspruch beim Erben geltend machen.

Wann kann der Pflichtteilsanspruch geltend gemacht werden?

Der Anspruch auf den Pflichtteil entsteht erst mit dem Todesfall. Der Anspruch kann somit nicht zu Lebzeiten des Erblassers geltend gemacht werden. Jedoch können sich der Erblasser und der Pflichtteilsberechtigte auf einen sogenannten Pflichtteilsverzicht einigen. Hierbei handelt es sich um einen notariell beurkundeten Vertrag, mit dem der Pflichtteilsberechtigte auf seinen Pflichtteil verzichtet. Hierfür erhält er normalerweise eine Abfindung.

Wann verjährt der Pflichtteilsanspruch?

Pflichtteilsansprüche verjähren nach drei Jahren gem. § 195 BGB. Diese Frist beginnt mit Ende des Jahres zu laufen, in dem der Pflichtteilsberechtigte Kenntnis über den Todesfall des Erblassers erhalten hat. Beispiel: Erfährt der Pflichtteilsberechtigte am 22.05.2024 vom Versterben des Erblassers, so hat er bis zum 31.12.2027 Zeit seine Ansprüche geltend zu machen. Sollte der Pflichtteilsberechtigte keine Kenntnis vom Tod des Erblassers erlangen, beträgt die Verjährungsfrist 30 Jahre.

Kann der Pflichtteil entzogen oder ausgeschlossen werden?

Es ist in Ausnahmefällen möglich auch den Pflichtteil zu entziehen. Der Entzug des Pflichtteils muss im Testament ausdrücklich erwähnt und begründet werden. Für einen solchen Entzug kommen nur wenige Gründe in Frage. Diese sind in § 2333 BGB abschließend aufgezählt. So muss der Pflichtteilsberechtigte:

  • Verantwortlich für den Tod des Erblassers sein
  • Dem Erblasser oder nahen Angehörigen des Erblassers nach dem Leben getrachtet haben
  • Gesetzlich obliegende Unterhaltspflichten verletzt haben
  • Eine Freiheitsstrafe von über einem Jahr ohne Bewährung erhalten haben oder deshalb rechtskräftig in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht worden sein

Die Entziehung des Pflichtteiles ist an die jeweilige Person gebunden. Das heißt die Nachfahren des Pflichtteilsentzogenen können den Pflichtteil geltend machen, falls der Pflichtteilsentzogene bereits verstorben ist.

Auch kann bereits zu Lebzeiten ein Pflichtteilsverzicht vereinbart werden. Hierbei verzichtet der Pflichtteilsberechtigte gegen eine Abfindung auf seinen Pflichtteil.

Wann muss der Pflichtteilsanspruch bezahlt werden?

Der Erbe muss den Pflichtteil auszahlen, sobald der Pflichtteilsberechtigte diesen geltend macht. Nicht immer ist dies so ohne weiteres möglich. Der Erbe kann eine Stundung nach 2331a BGB beantragen. Hierzu muss die sofortige Erfüllung eine „unbillige Härte“ sein. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn die Familienwohnung oder ein Wirtschaftsgut veräußert werden müssten, um den Pflichtteil zu zahlen. Handelt es sich bei dem Nachlass um ein Haus, ist dies allein noch nicht ausreichend. In diesem Fall muss der Erbe die Immobilie veräußern, um den Pflichtteil zahlen zu können. Die Stundung muss jedoch auch für den Pflichtteilsberechtigten zumutbar sein.

FAQ

Fallen Erbschaftssteuern für den Pflichtteil an?

Ja, es wird Erbschaftssteuer für den Pflichtteil fällig, allerdings erst wenn der Pflichtteilsberechtigte seinen Anspruch geltend gemacht hat. Die im Austausch für einen Pflichtteilsverzicht erhaltene Abfindung muss auch versteuert werden.

Wer muss den Pflichtteil zahlen?

Der Anspruch des Pflichtteilsberechtigten richtet sich gegen den Erben bzw. die Erbengemeinschaft, falls es sich um mehrere Erben handelt. Der Erbe zahlt den Pflichtteil an den Pflichtteilsberechtigten.

Wie hoch ist der Pflichtteil bei Enterbung?

Der Pflichtteilanteil beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils.

Wie berechnet sich der Pflichtteil einer Immobilie?

Maßgeblich ist, nach dem sogenannten Stichtagsprinzip, der Verkehrswert des Grundstücks zum Zeitpunkt des Erbfalls. Der Verkehrswert wird mit der Pflichtteilsquote multipliziert.

Kann der Pflichtteil durch Testament ausgeschlossen werden?

Ja, unter Voraussetzungen des § 2333 BGB kann auch der Pflichtteil ausgeschlossen werden. Dieser Ausschluss muss im Testament explizit benannt und begründet werden.

Habe ich Anspruch auf den Pflichtteil, wenn ich das Erbe ausgeschlagen habe?

Generell gilt: wer das Erbe ausschlägt, hat keinen Anspruch auf den Pflichtteil. Ausnahmsweise kann ein, durch ein Testament oder Erbvertrag beschwerter, Erbe jedoch sein Erbe ausschlagen und den Pflichtteil geltend machen.

Fazit

Der Pflichtteil stellt sicher, dass enge Angehörige selbst bei Enterbung nicht leer ausgehen. Wer enterbt wurde oder zu gering bedacht ist, sollte seine Ansprüche prüfen, denn oft besteht ein klar geregelter Anspruch auf einen Teil des Nachlasses. Frühzeitige Beratung und genaue Kenntnis der gesetzlichen Regelungen helfen dabei, Rechte effektiv durchzusetzen oder Streit zu vermeiden.