In der erbrechtlichen Praxis spielen Auskunftsansprüche von Erben eine wichtige Rolle. Der Erbe kann sich über sie eine Übersicht verschaffen, welche Gegenstände und welches Vermögen zum Erbe gehören.
Der Gesetzgeber hat in §§ 1922, 1942 BGB den Anfall einer Erbschaft präzise und eindeutig geregelt: Wer sein Erbe nicht innerhalb von 6 Wochen ausschlägt, wird Rechtsnachfolger des Erblassers. Zum Erbe gehören auch Verbindlichkeiten. Für diese haftet der Erbe unter Umständen mit seinem Privatvermögen. Der Erbe steht vor der folgenreichen Entscheidung, ob er das Erbe, mit allen Vor- und Nachteilen, annimmt oder ausschlägt. Durch Auskunftsansprüche erlangte Informationen können dem Erben hierbei helfen sich einen umfassenden Überblick über den Nachlass zu verschaffen und sich zwischen der Annahme und der Ausschlagung des Erbes zu entscheiden. Auch wenn ein Erbe die Erbschaft definitiv nicht ausschlagen will, können einzelne Nachlassgegenstände in den Besitz von Nichterben gelangt sein. Hier stehen dem Erbberechtigten diverse Auskunftsansprüche zur Seite, um seine Herausgabeansprüche in der Folge realisieren zu können.
Inhaltsverzeichnis
1. Wer hat Anspruch auf Auskunft?
2. Gegen wen richten sich die Ansprüche?
3. Wie werden die Auskunftsansprüche geltend gemacht?
4. Wie muss die Auskunft erteilt werden?
5. Der Auskunftsanspruch in der erbrechtlichen Praxis
6. Auskunftsansprüche in der Erbengemeinschaft
7. Auskunftsansprüche als wichtiges Instrument im Erbrecht
Wer hat Anspruch auf Auskunft?
Die Auskunftsansprüche stehen dem Erben zu. Der Nacherbe hat einen Auskunftsanspruch gegenüber dem Vorerben gem. § 2121 BGB. Auch der Pflichtteilsberechtigte hat gem. § 2314 I BGB einen Auskunftsanspruch gegenüber dem Erben. Der Auskunftsanspruch ist vererblich.
Gegen wen richten sich die Ansprüche?
Das Gesetz gewährt dem Erben Auskunftsansprüche gegen eine Vielzahl von Personen und Institutionen. Unter anderem gegen:
- Miterben und Nacherben nach §§ 2021, 2027 BGB
- Angehörige des Haushalts sowie Pflegepersonal nach § 2028 BGB
- (sonstige) Erbschaftsbesitzer nach § 2027 Abs. 1 und Abs. 2 BGB
- Banken nach § 666 BGB in Verbindung mit § 675 Abs. 1 und § 1922 BGB
- Testamentsvollstrecker nach § 2197 BGB
- Bevollmächtigte oder Betreuer nach §§ 1908i, 1892 BGB
- den Fiskus nach § 2011 S.2 BGB
- Nachlassverwalter nach § 2012 BGB
- Scheinerben nach § 2362 Abs. 2 BGB
Wie werden die Auskunftsansprüche geltend gemacht?
Auskunftsansprüche werden schriftlich bei der jeweiligen Person oder Institution gestellt. Sollten diese der Aufforderung nicht nachkommen, sollte eine Mahnung mit Fristsetzung erfolgen. Dies kann durch den Erben selbst oder einen Anwalt erfolgen. Falls der Auskunftspflichtige immer noch keine Auskunft gibt, kann der Auskunftsanspruch gerichtlich geltend gemacht werden. Dies erfolgt bei dem zuständigen Nachlassgericht. Erbrechtliche Auskunftsansprüche können zwar innerhalb von 30 Jahren geltend gemacht werden (§ 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB), jedoch empfiehlt es sich diese frühzeitig geltend zu machen, um zu verhindern, dass Teile des Nachlasses nicht mehr verfügbar sind.
Wie muss die Auskunft erteilt werden?
Die entsprechenden Personenkreise und Institutionen müssen umfassend Auskunft erteilen. Regelmäßig ist Auskunft in Form eines schriftlichen Verzeichnisses zu erteilen. Das gilt insbesondere für den Erbschaftsbesitzer nach §§ 2027 Abs. 1, 260 Abs. 1 BGB. An das Verzeichnis werden hohe Anforderungen gestellt:
- Es muss übersichtlich und konkret sein. Der Erbe muss Nachlassgegenstände einwandfrei identifizieren können.
- Bestehen beim Erben Zweifel an der Vollständigkeit des Verzeichnisses oder einer ausreichenden Sorgfalt bei der Erstellung, kann er nach § 260 Abs. 2 BGB verlangen, dass die Vollständigkeit an Eides statt versichert wird. Diese Vorschrift ist wichtig, da bei unvollständigen Angaben auch strafrechtliche Folgen drohen.
De schriftliche Nachlassverzeichnis umfasst Aktiva wie Grundstücke, Kraftfahrzeuge, Wertpapiere und weitere Kapitalanlagen sowie Passiva wie Verbindlichkeiten und Schulden aller Art.
Der Auskunftsanspruch in der erbrechtlichen Praxis
Auskunftsanspruch gegen den Erbschaftsbesitzer
In der Praxis spielt der Auskunftsanspruch gegen den Erbschaftsbesitzer eine große Rolle. Unter Erbschaftsbesitzer versteht man eine Person, die eine Erbschaft in Besitz genommen hat, aber nicht Erbe ist. Hier kommt es häufiger dazu, dass der Erbe seine gesamten Ansprüche im Wege einer erbrechtlichen Stufenklage geltend macht. In einem ersten Schritt wird er dann Auskunft zu den Bestandspositionen verlangen. Möglicherweise wird er diesen Anspruch mit einem Anspruch darauf verbinden, schriftlich Auskunft über den Verbleib von Gegenständen zu geben. Er kann eine Versicherung an Eides statt verlangen, wenn das Verzeichnis nicht mit der notwendigen Sorgfalt erstellt wurde. Im letzten Schritt folgt der Herausgabeanspruch auf die weiter zu bezeichnenden Gegenstände. Die Stufenklage fasst den Anspruch auf Auskunft und Herausgabe zusammen.
Umfangreicher Auskunftsanspruch gegen Banken
Auch der erbrechtliche Auskunftsanspruch gegen Banken und Finanzinstitute ist sehr praxisrelevant. Er ist inhaltlich sehr umfassend und schließt folgende Informationen ein:
- Informationen zu einem Bankschließfach, das noch unterhalten wird oder unterhalten wurde
- Kontosalden, Wertpapierdepots zum Zeitpunkt des Todes
- Daueraufträge
- Vollmachten der letzten 10 Jahre, die der Erblasser erteilt hat
- Verträge zugunsten Dritter auf den Todesfall bezogen
- Bürgschaftsverpflichtungen
- Verfügungsberechtigungen Dritter
Auskunftsansprüche in der Erbengemeinschaft
Erbengemeinschaften stellen für die Miterben häufig per se eine belastende Situation dar, weil die Erbschaft in der Regel erst nach einer gewissen Zeit realisiert werden kann und dazu meist eine Erbauseinandersetzung notwendig ist. Folglich sind Auskunftsansprüche unter den Miterben ein wichtiges Instrument, um sich einen Überblick zu dem gesamten Erbe zu verschaffen. Die Grundlage für den Auskunftsanspruch unter Miterben ist § 2057 BGB. Hier muss beispielsweise ein Miterbe Zuwendungen bekannt machen, die er zu Lebzeiten des Erblassers bekommen hat. Bei diesen Zuwendungen muss nach § 2050 Abs. 1 BGB ein Ausgleich vorgenommen werden. Durch Anrechnung dieser Zuwendungen auf den Erbteil des Beschenkten erhöht sich der Erbteil anderer Miterben. Bestimmte Zuwendungen wie etwa die Finanzierung einer beruflichen Ausbildung sind von der Ausgleichspflicht ausgenommen.
Auskunftsansprüche als wichtiges Instrument im Erbrecht
Die erbrechtlichen Auskunftsansprüche sind ein relativ "scharfes rechtliches Schwert". Der Erben soll durch sie in die Lage versetzt werden, den Umfang des Erbes zu bestimmen, eine Entscheidung über die Ausschlagung einer Erbschaft treffen können und verschwundene Nachlassgegenstände aufzuspüren. Flankiert werden die Auskunftsansprüche des Erben von Auskunftsansprüchen Dritter wie beispielsweise von Pfandgläubigern oder unterhaltsberechtigten geschiedenen Ehegatten.
Wer zur Auskunft verpflichtet ist, sollte diese Verpflichtung ernst nehmen und entsprechende Sorgfalt bei der Erstellung von Verzeichnissen walten lassen.